Cappuccino, Lärm und rauchende Köpfe

Im Zuge des Erasmus+ Projekts »designSTEM« werden im italienischen Trento vom 12. bis 17. November 2018 erste Prototypen getestet. Die Entwicklung der Lernplattform geht in die heiße Phase.

Ohrenbetäubend laut ist es im Raum des Workshops, kurz bevor die ersten Lernszenarien getestet werden sollen. Der Stresslevel steigt und die Zeit wird knapp, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Rund 93 Dezibel zeigt die Lautstärkemessung an. Damit ist es in etwa so laut wie auf einer Autobahnbaustelle. Konzentriertes Arbeiten fällt den TeilnehmerInnen sichtlich schwer, aber einen Aufschub gibt es nicht. 18 Schülerinnen und Schüler des »Istituto Buonarroti« im norditalienischen Trento wurden extra zum Testen der Lernszenarien vom regulären Unterricht freigestellt und warten bereits in den Unterrichtsräumen auf den Beginn der Tests.

Aber Moment mal – was ist »designSTEM« eigentlich? Und was wird da getestet?

2016 wurde das Erasmus+ Projekt »designSTEM« von Merit Karise initiiert, die Lehrerin an der Beruflichen Schule Kuressaare Ametikool in Estland ist.
Ziel ist es, eine digitale Lernplattform zu erstellen, die es SchülerInnen und LehrerInnen ermöglicht, Themen anhand von handlungsorientierten Lernszenarien zu erschließen. Diese Szenarien verbinden MINT- (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – auf Englisch lautet dies STEM) und Design-Themen. Gemeinsam erarbeiten Lehrerinnen und Lehrer von neun Beruflichen Schulen, Colleges und Universitäten aus Estland, Finnland, den Niederlanden, Slowenien, Griechenland, Portugal, Italien, England und Deutschland Lernkonzepte, Lernmaterialien und digitale Elemente, die kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Seit Sommer 2016 wird das Projekt »designSTEM« auch von einem Team aus der Gutenbergschule bestehend aus Kristin Kreer, Torsten Kolb und Jan Thomczek mitgestaltet, die u.a. Szenarien zu den Themen »Color Vision Deficiency and Accessibility«, »Easing« sowie »Color Perception/Metamerism« federführend entwickeln.
In der Freizeit sowie in mehreren transnationalen Workshops werden die Lernszenarien unter Zusammenarbeit aller Mitgliedsländer entwickelt, d.h. »Team Germany« arbeitet nicht nur an den eigenen Szenarien, sondern auch an Projekten aus Italien, England, Finnland und den Niederlanden mit.

Schwerpunkt des Workshops in Trento, Italien im November 2018 ist die Weiterentwicklung der Lernszenarien der Partner aus Griechenland und Italien. Hierzu werden interdisziplinäre Arbeitsgruppen gebildet. Fachleute für Pädagogik, Unterrichtende mit Schwerpunkt Naturwissenschaft & Technik sowie Gestalter arbeiten Hand in Hand, um aus den »Scenario Slides«, mit den bereits existierenden Grundideen praxistaugliche Unterrichtsinhalte zu entwickeln.
Während Kristin Kreer mit Leonarda Raffoni (Istituto Buonarotti, Trento) und Sandra Rietvelt (HMC Amsterdam) an einem italienischen Lernszenario zum Thema »Bees and Packaging« arbeitet, finden zusätzlich sogenannte »Side Sessions« statt, in denen Szenarios getestet werden, die bereits außerhalb der Workshops entwickelt worden sind.
Hierzu zählt unter anderem auch der Prototyp des Metamerismus-Lernumgebung, der in Kooperation von Jan Thomczek und Kristjan Jansen, einem Entwickler aus Estland, entsteht. Dieses Szenario soll den Lernenden erlauben, in 3D in der virtuellen Realität mit Licht und Farbe zu experimentieren. Geschehen soll dies möglichst intuitiv. Je eigenständiger die Schülerinnen und Schüler die Lernentwicklung erkunden und verstehen, umso besser.
Das ist auch der Kern des »designSTEM« Projekts: SchülerInnen sollen sich selbstständig Inhalte erarbeiten, ausprobieren und schließlich anwenden können. Damit Lernszenarien nicht blind entwickelt werden, sondern zielgruppengerecht sind, werden sie während den Workshop-Wochen zusammen mit SchülerInnen getestet, bewertet und im Anschluss auf Basis des Feedbacks optimiert.

Sowohl bei den Lernenden als auch bei den Unterrichtenden ist daher die Anspannung in der Test-Phase spürbar. Es überwiegt allerdings die Neugier und das gegenseitige Interesse an den neuen Themen. »Bei der Vorbereitung der eigentlichen Durchführung mit den Lernenden merkt man sehr schnell, wo es noch Schwachstellen gibt und an welchen Stellen die Inhalte angepasst werden müssen. Die grundlegende Idee ist schon ganz gut, aber es lässt sich noch präziser umsetzen. Ich habe sehr viel an Feedback und neuen Ideen mitgenommen«, so Jan Thomczek nach der Testphase.

Auch Kristin Kreer zieht nach der Arbeitswoche in Trient ein positives Resümee: »Der Workshop ist unglaublich intensiv, die Tage lang. Gott sei Dank gibt es genug Cappuccino. Die Aufteilung der großen Arbeitsgruppen in kleinere Taskforces und die Einführung der Side Sessions war eine sehr gute Idee. Man kann einfach flexibler an mehreren Lernszenarien gleichzeitig mitarbeiten und so hatte ich parallel auch Zeit, mein eigenes Lernszenario weiterzuentwickeln. Bis zum nächsten Workshop sind es nur noch drei Monate, d.h. bis dahin müssen die Szenarien der Gutenbergschule so weit sein, dass wir sie auch mit SchülerInnen testen können. Und »zack« ist es Mitte 2019, wenn die Lernplattform der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Viel zu tun, wenig Zeit.«

Dank Cloudspeicher ist es den länderübergreifenden Teams auch möglich, in den Monaten zwischen den Workshops in engem Kontakt weiterzuarbeiten. Denn die Zeit drängt und Lernmaterialien sowie interaktive Elemente wollen fertiggestellt werden. »Die Köpfe rauchen und es ist viel Arbeit die wir auch in unserer Freizeit machen müssen, aber der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern ist unglaublich gewinnbringend. Alternative Perspektiven zum Thema Unterrichten und Lernen geben frische Impulse für die eigene Unterrichtsentwicklung. Deshalb ist es so toll, dass wir auch über die Workshops hinaus im ständigen Austausch bleiben«, so Kristin Kreer.

Noch eine Etappe zum Testen der Szenarien liegt vor Team Germany: Bragança in Portugal. Dort werden alle deutschen Szenarien von Studentinnen und Studenten der dortigen Fachhochschule auf den Prüfstand gestellt. Danach heißt es Ende Mai 2019 dann aber schon »Welcome to Gutenbergschule Frankfurt! «, wo der letzte Workshop vor der Veröffentlichung stattfinden wird.

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